Liebe Gemeinde,
jetzt in der Adventszeit haben Engel Hochkonjunktur. Sie begegnen uns in vielerlei Gestalt in Schaufenstern, in Wohnungen und an anderen Orten, wo sie als Dekorationsstücke dienen.
Jedoch: Sowohl im Alten Testament als auch im Neuen Testament spielen Engel eine gewichtige Rolle. Welch schönes Bild: Jakob träumt von einer Leiter, die bis in den Himmel reicht und Engel steigen an ihr auf und nieder. Engel verbinden somit Himmel und Erde – Gott und Mensch.
Im Lukasevangelium lesen wir, dass der Engel Gabriel Maria verkündet, dass sie den Gottessohn gebären wird. Und Maria erkennt, dass der Engel von Gott gesandt ist und stimmt ein.
Bei meinem Nachdenken über Engel musste ich feststellen, dass es eine Fülle an Bildern in der Bibel, in der Kunst, in volkstümlichen Geschichten und noch Vieles mehr gibt, so dass ich mich in meiner Predigt auf eine – sicher subjektive – Auswahl beschränken muss.
Beginnen wir mit der Bibel: Da gibt es drei Berühmtheiten: die drei Erzengel Gabriel, Raphael und Michael.
Gabriel. Er ist sicher der bekannteste von den Erzengeln. Gabriel bedeutet: „Gott ist Kraft“. Im Evangelium begegnet er uns als Verkündiger der Botschaft Gottes an Maria. Mit Gabriel verbinden wir den Hoffnung bringenden Gesandten Gottes, der in seinem Auftrag gute Nachrichten überbringt.
In jedem Krippenspiel spielt der Verkündigungsengel Gabriel (der Engel des Herrn) eine herausragende Rolle. Und es erfüllt den Spieler dieser Rolle mit Stolz, wenn er oder sie den Hirten mitteilen darf. „Fürchtet euch nicht. Ich verkündige euch große Freude, denn euch ist heute der Heiland geboren.“
Weitere wichtige Aufgaben Gabriels sind zum Beispiel:
Elisabeth und Zacharias erhalten von ihm die Zusage, dass sie auch im reifen Alter noch Eltern werden.
Und im Buch Daniel können wir lesen, dass er den Israeliten die Befreiung aus der Gewalt Babylons verheißt.
Gabriel – „Gott ist Kraft“ - das bedeutet, dass der Engel Gabriel in der Kraft Gottes handelt.
Nicht ganz so viel wissen wir vom Erzengel Raphael. Wir begegnen ihm im apokryphen Buch Tobit (Tobias). Raphael bedeutet: „Gott heilt.“ Er wird seinem Namen gerecht, indem er sich von Gott zu Tobias, dem Sohn Tobits, senden lässt und diesem eine rundum Heilung erfahren lässt. Er begleitet Tobias durch Abenteuer, teilt mit ihm Lachen und Weinen, Leben und Tod und rettet sogar seine Ehe.
Der wohl mächtigste Erzengel ist Michael.
Michael, der Hüter des Gartens Eden, der Adam und Eva mit dem Schwert hinaus treibt aus dem Paradies.
Wir begegnen ihm in der Offenbarung des Johannes als Kämpfer gegen die Mächte der Finsternis, der letzten Endes den Leben zerstörenden endzeitlichen Drachen mit dem Schwert tötet.
Im Buch Daniel tritt er auf als Beschützer. Er beschützt Daniel in der Löwengrube.
Er gilt allgemein als Beschützer vor Gefahren in vielerlei Gestalt.
Unsere katholischen Glaubensgeschwister feiern am 29. September den Michaelistag. Dieser Tag gilt als Stichtag für die Feier des Erntedankfestes, das traditionsgemäß am nachfolgenden Sonntag gefeiert wird.
Michael bedeutet: „Wer ist wie Gott?“
Diese Frage werde ich später noch einmal aufnehmen und erweitern auf die Frage: „Sind Engel wie Gott?“
Neben den Erzengeln, die eine besondere Stellung haben, ist die Bibel voll von Engeln, die einzeln oder in Heerscharen auftreten. Jetzt in der vorweihnachtlichen Zeit denken wir da ganz besonders an die himmlischen Heerscharen, die in der Heiligen Nacht den Hirten auf dem Felde erscheinen – Gott loben und den Menschen Frieden wünschen.
Verlassen wir jetzt die Bibel und gehen hinein ins echte Leben. In der Vorstellung vieler Menschen sind Engel blond gelockt, etwas pummelig, mit einem runden Kindergesicht. Ist das kitschig?
Ja, es ist kitschig, aber ich finde es nicht schlimm. Ich finde es nicht schlimm, weil Engel den Menschen gut tun. Selbst über das Leben hinaus. Gehen Sie einmal bewusst über den Alzenauer Friedhof. Da werden Sie auf den Gräbern Engel in verschiedensten Gestalten finden, und es werden immer mehr.
Ja, Engel tun gut. Das wusste bereits Martin Luther, wenn er in seinem Morgengebet betet:
„Gott, dein heiliger Engel sei mit mir, dass der böse Feind keine Macht an mir finde.“
Und gehen wir zu einem bekannten Zeitgenossen, Pater Anselm Grün, der sagt:
„Engel sind Bilder der tiefen, bleibenden Sehnsucht nach Hilfe und Heilung, die nicht aus uns selber kommt.“
Das ist es ja, liebe Gemeinde, weshalb Schutzengel eine wichtige Rolle spielen. Ich bin überzeugt, dass Jede und Jeder einen oder mehrere Schutzengel hat, die Gott uns schickt, weil er will, dass es uns gut geht.
Allerdings sollten wir unseren Schutzengel nicht zu sehr herausfordern.
Sie kennen ja den Spruch für Autofahrer: Fahr nicht schneller als dein Schutzengel fliegen kann.
Ich hatte gesagt, dass ich auf die Bedeutung des Namens Michael „Wer ist wie Gott?“, noch etwas näher eingehen möchte. Es beinhaltet für mich die Frage:
Sind Engel wie Gott?
Ja, wer oder was sind Engel? Ich denke, da sind wir uns alle einig, dass Engel nicht wie Gott und keinesfalls Gott sind.
Engel sind eine Brücke zu Gott. Und ja, vielleicht sind sie uns manchmal näher als der große, mächtige Gott. Zwischen mir und Gott steht die bange Frage, ob ich ihm denn Recht sein kann mit all dem „Mist“, den ich verzapfe. Ja, ich weiß – wir haben einen liebenden Gott, der mich so annimmt, wie ich bin. Und dennoch: Es kommen doch immer wieder Zweifel auf.
Da sind mir Engel irgendwie näher. In der Bibel sind sie personale Wesen, sie sind Geschöpfe Gottes – so wie du und ich.
Und doch taucht immer wieder die Frage auf: Gibt es Engel?
Auf diese Frage könnte man zwei Antworten geben:
Erstens: Engel sind Gott zugewandt, sie beten ihn an. Sie sind die Heerscharen Gottes, die an Weihnachten – wie bereits gesagt – ihren gewaltigen Lobgesang anstimmen. Und wenn sie sagen: „Euch ist heute der Heiland geboren“, weisen sie von sich weg.
Und damit sind sie zweitens uns Menschen zugewandt. Sie sind Boten Gottes. Als Boten Gottes können sie ganz unterschiedliche Gestalt haben: geheimnisvoll, unsichtbar und auch ganz konkret als Person.
In Engeln zeigt sich die Zuwendung Gottes zum Menschen. Gott lässt uns Menschen nicht allein, sondern umgibt uns mit seiner heilenden und liebenden Nähe.
Dies wird wunderschön in dem bekannten Psalmvers (91,11-12) zum Ausdruck gebracht:
„Denn er hat seinen Engeln befohlen,
dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen,
dass sie dich auf den Händen tragen
und du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest.“
Welch herrliches, wohltuendes Bild! Da möchte man doch einfach die Augen schließen, träumen und sich in den Armen der Engel wiegen.
Schließen möchte ich, indem ich noch einmal die Verkündigung des Engels des Herrn an die Hirten wiederhole und sie jetzt so formuliere, dass sich Jeder und Jede persönlich angesprochen fühlen kann:
Fürchte dich nicht, denn dir ist heute der Heiland geboren,
Dein Erlöser, der Messias – Jesus.
Er – Jesus Christus - ist Herr der Lage, auch in einer krisenhaften Zeit. Er stärkt dich, dass auch du in dieser Zeit Herr der Lage bleibst.
Amen.
Helga Hanus